Gedanken zu Europa

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Parlamentarier-Legende Prof. Dr. Reinhard Rack

EU-Volksabstimmung

Der 12. Juni 1994 war ein wichtiges Datum für Österreich. An diesem Tag fand die Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union – damals offiziell noch Europäische Gemein­schaft(en) – statt. In Graz, wo ich ins Wahllokal ging, so wie ziemlich im ganzen Land regnete es in Strömen, für die Abstimmungsbeteiligung gut, und das Ergebnis war sensationell. Zwei Drittel der Abstimmenden votierten für den Beitritt, ein in ganz Europa höchst ungewöhnliches Ergebnis. Der 12. Juni 1994 war auch für mich persönlich ein wichtiger Tag. Als Europabeauftragter hatte ich ja nicht nur daran zu arbeiten, die steirische Landesverwaltung auf die Mitgliedschaft in der EU vorzubereiten, zumindest ebenso wichtig war die Mitarbeit an der Europainformationskampagne für die österreichische Bevölkerung. Diese Aufgabe war für mich als gelernten Universitätslehrer zugleich leicht und schwer. Als Professor war ich gewohnt, vielen Menschen etwas zu erklären, aber ich musste erst die Sprache lernen, in der mich die sprichwörtlichen Herren und Frauen Nomalverbraucher verstehen konnten.

Fast vier Jahre lang musste ich aber noch viel mehr lernen, die geographische Lage der damals noch fast 450 Gemeinden in der Steiermark, von Krakaudorf bis Radkersburg, die jeweils dazugehörenden Bürgermeister und die parteipolitisch gefärbte EU-Stimmung vor Ort, Rezepturen von (Blut)schokolade und (Läuse)joghurt, Vorschriften über die erlaubte Menge von Weinflaschen, die unsere deutschen Gäste aus der Südsteiermark zollfrei mit nach Hause nehmen durften, EU-Förderrichtlinien für die Industrie und neue Unterstützungsmöglichkeiten für Urlaub am Bauernhof und vieles andere mehr. Am frühen Nachmittag des 12. Juni informierte ich mich in der Grazer Burg über das Abstimmungsgeschehen und ging dann nach Hause, die Interviews überließ ich der Politik. Ich hatte für die Verkündung des Ergebnisses um 19 Uhr 30 meine Unterstützer bei der Infokampagne, zumeist meine Studenten von der Uni eingeladen, mit mir gemeinsam das Ergebnis vor dem Fernseher zu erleben, bei Hamburgern, die ich ab 15 Uhr unter dem großen (Sonnen)regenschirm im Garten gegrillt hatte, und mit diversen Getränken. Das Wohnzimmer war voll, obwohl zuvor total ausgeräumt, und die letzten Besucher haben uns am nächsten Morgen verlassen, in bester Stimmung.

Süd-Ost Journal

"Für die Menschen, für die Region"