Wirtschaft in Zeiten der hohen Inflation

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Mag. Dr. Ewald Verhounig ist seit 2015 Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) & Planungskoordinator der WKO Steiermark, sowie langjähriger VWL-Lektor am ITM Tourismus College und an der European University Bad Vöslau. Mag. Dr. Ewald Verhounig ist seit 2015 Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) & Planungskoordinator der WKO Steiermark, sowie langjähriger VWL-Lektor am ITM Tourismus College und an der European University Bad Vöslau.

„Glaube nicht an rasch wieder sinkende Preise“

Interview: Dorian Krois

SOJ: Egal ob an der Tankstelle, im Supermarkt oder im Gasthaus: Die hohe Preisdynamik betrifft uns alle. Für viele sind die EU-Sanktionen gegen Russland schuld. Ist das die ganze Wahrheit? Was ist aus Ihrer Sicht der Grund für die hohe Inflation?

Dr. Ewald Verhounig: Die Ursachen für die hohe Inflation sind in der Tat vielschichtig. Die Basis hierfür ist bereits in der geldpolitischen Grundausrichtung (Ausweitung der Geldmenge & Nullzinspolitik) der EU und der USA in Reaktion auf die Wirtschaftskrise 2008/09 gelegt worden. Kritisch wurde die Inflationsentwicklung allerdings erst durch die wirtschaftlichen Verwerfungen, die sich aus der Pandemie ergeben haben. Diese hat nicht nur einen Nachfrageschock erzeugt, sondern auch angebotsseitig lange nicht gekannte Probleme verursacht. Lieferkettenausfälle und Verknappungen bei Vorprodukten haben den Inflationsreigen eingeleitet. Die steigenden Energiepreise, die im Übrigen zu einem Gutteil der unausgegorenen „Energiewende“ in Europa zuzurechnen sind, haben die Inflationsdynamik in der Folge richtig angefacht. Der Krieg in der Ukraine hat diese Entwicklung noch verstärkt. Hinzu kommt, dass das verknappte Angebot, nicht zuletzt arbeitsmarktbedingt, in vielen Branchen den enormen Anstieg der Nachfrage resultierend aus einem Konsumrückstau nicht vollends bedienen konnte. Wir haben es folglich, wie man sieht, mit einer komplexen Gemengelage zu tun, die auch nicht ganz einfach in Griff zu bringen sein wird.

SOJ: Welche Rolle spielt allgemein der Ölpreis?

Dr. Ewald Verhounig: Der Ölpreis spielt seit Jahrzehnten eine sehr zentrale Rolle im allgemeinen Preisgeschehen, da Öl nicht nur in der Mobilität unabdingbar ist, sondern auch in vielen Produkten des täglichen Bedarfs allgegenwärtig ist. Dies trifft auch auf andere fossile Energieträger, allen voran Gas, zu. Solange es wirtschaftliche Abhängigkeiten in diesem Bereich gibt und es diesbezüglich auch Wechselkurseffekte zwischen Euro und Dollar zu berücksichtigen gilt, werden der Öl- und der Gaspreis auch weiterhin Auswirkungen auf unser Preisniveau haben.

SOJ: Die Europäische Zentralbank versucht, die Inflation mittels höherer Leitzinsen von aktuell 3,5 Prozent, zu bekämpfen. Dies geht wiederum zu Lasten der Wirtschaft. Geht die EZB hier den richtigen Weg?

Dr. Ewald Verhounig: Es gibt geldpolitisch leider nicht viele Alternativen zu diesem Schritt, da es gilt die Geldmenge zu reduzieren bzw. die Inflation zu bekämpfen. Letzteres ist wichtig, denn die Inflation verursacht volkswirtschaftliche Kosten. Preissteigerungen können von Unternehmen oft nicht im selben Ausmaß und schon gar nicht zeitgleich weitergegeben werden, relative Preise sind daher Änderungen unterworfen. Vertraglich festgelegte Geschäftsbeziehungen können zum Beispiel darunter leiden. Zudem müssen Preis- und Lohnanpassungen häufiger stattfinden, was einen administrativen Aufwand für Unternehmen darstellt. Inflationäre Erwartungen sind dann die Folge. Natürlich verteuern sich andererseits durch die EZB-Politik auch die Kreditkonditionen- und -kosten, was wiederum dämpfend auf die Investitionsnachfrage und Konjunktur wirkt.

Die EZB muss nun mit Augenmaß vorgehen, um nicht eine geldpolitisch verursachte Rezession zu riskieren. Hinsichtlich der aktuellen Zinshöhe ist im Übrigen anzumerken, dass diese vor Beginn der Wirtschaftskrise 2008/09 sogar über dem derzeitigen Niveau lag.

SOJ: Wie steht Österreich bei der Inflation im internationalen Vergleich da?

Dr. Ewald Verhounig: Im Februar/März lag Österreich mit einer Inflationsrate von 11 % deutlich über dem Durchschnitt der Eurozone. Über diesen Umstand tröstet auch nicht die Tatsache hinweg, dass unsere osteuropäischen EU-Nachbarn noch höhere Inflationsraten zu verdauen haben. Die Schweiz beispielsweise bewegt sich auf einem immer noch sehr moderaten Inflationskurs von 3,2 %.

SOJ: Leider gibt es genügend Trittbrettfahrer, die Inflation wird durch sie zusätzlich angeheizt. Welche Sparten sind eigentlich besonders betroffen und welche eher weniger?

Dr. Ewald Verhounig: Betroffen von der Inflation sind zum einen jene Wirtschaftsbereiche, die aufgrund eines hohen nationalen oder internationalen Wettbewerbs die enormen Preissteigerungen nicht 1:1 weitergeben können. Zum anderen sind vor allem jene Branchen in Mitleidenschaft gezogen, bei denen seitens der Konsumenten der Sparstift angesetzt wird, wenn das verfügbare Einkommen zurückgeht. Der Handel, der Tourismus und die Freizeitwirtschaft sowie diverse persönlichen Dienstleister fallen darunter.

SOJ: Sie können wahrscheinlich, ebenso wenig wie ich, die Zukunft vorhersehen. Aber glauben Sie, dass die Verbraucherpreise in absehbarer Zeit wieder zurückgehen werden? Gibt es vielleicht historische Vergleiche?

Dr. Ewald Verhounig: Ich gehe nicht davon aus, dass die Preise rasch zurück gehen werden. Einerseits beginnen die hohen Lohnabschlüsse erst jetzt zu wirken und dies bei einem rückläufigen Angebot am Arbeitsmarkt. Andererseits bleibt abzuwarten, wie sich die Energiemärkte bis in die zweite Jahreshälfte hinein entwickeln. Allein die Ankündigung der OPEC, die Ölfördermenge drosseln zu wollen, hat den Ölpreis rasch wieder in die Höhe schnellen lassen. Parallelen zu den Ölpreiskrisen der 1970-er Jahre tun sich hier auf. Damals haben zahlreiche Preisschocks bei Öl und Nahrungsmitteln die Inflationsraten immer wieder nach oben schnellen lassen. Steigende Inflationserwartungen und hohe Lohnforderungen führten in der Folge zu einer anhaltend hohen Inflation. Ein derartiges Szenario ist derzeit leider auch wahrscheinlich, wenn nicht adäquat gegengesteuert wird.

Süd-Ost Journal

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