Wirtschaft in Zeiten der hohen Inflation

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Vorstandsdirektor KR Mag. Rainer Stelzer ist Marktvorstand der          Raiffeisen-Landesbank Steiermark und verantwortet die Bereiche Kommerzkunden, Projektgeschäft, Immobilien, Privatkunden sowie Privat Banking. Der gebürtige Oberösterreicher und passionierte Radfahrer wechselte im Juli 2012 in die Steiermark. Vorstandsdirektor KR Mag. Rainer Stelzer ist Marktvorstand der Raiffeisen-Landesbank Steiermark und verantwortet die Bereiche Kommerzkunden, Projektgeschäft, Immobilien, Privatkunden sowie Privat Banking. Der gebürtige Oberösterreicher und passionierte Radfahrer wechselte im Juli 2012 in die Steiermark.

„Leitzinserhöhung der EZB war überfällig“

Interview: Dorian Krois

SOJ: Die über viele Jahre andauernde Niedrigzinsphase wurde im Juli 2022 beendet, als die EZB erstmals seit Jahren ihren Leitzins erhöhte. Kam diese geldpolitische Wende für Sie überraschend?

Mag. Rainer Stelzer: Die EZB hat erstmals seit 2011 die Zinsen angehoben, damit ist die Ära der Negativzinsen vorbei. Das war ein wichtiger und mehr als überfälliger Schritt angesichts der hohen Inflation. Wir rechnen am Geldmarkt (Referenzsatz für Ersteinlagen/ Spar-, Online- und variable verzins- ter Kredite) mit weitersteigenden Sätzen - aus heutiger Sicht werden bis Mitte 2023 Zinserhöhungen der EZB erwartet. Am Kapitalmarkt (Referenzsatz für Anleihen und fix verzinster Kredite) mit einer Seitwärtsbewegung auf aktuellem Niveau - allerdings mit großen kurzfristigen Schwankungen.

SOJ: Derzeit beträgt der Leitzins der EZB 3,0 Prozent (Stand 14. März 2023), eine weitere Erhöhung ist wahrscheinlich. Zur Erklärung: Wie wirken sich die EZB-Leitzinsen konkret auf Ihre Bank aus?

Mag. Rainer Stelzer: Der Leitzins beeinflusst die Verzinsung, die Banken bekommen, wenn sie überschüssiges Geld bei der Zentralbank anlegen bzw. auch die Verzinsung, wenn sie Geld von der Zentralbank borgen. Dies wirkt sich in weiterer Folge auf die Kreditzinsen und Sparzinsen für Bankkunden aus. Da es seitens der EZB unterschiedliche Mechanismen gibt und sich auch die Situation am Kapitalmarkt (das ist der Markt, auf dem Wertpapiere gehandelt werden) auswirkt, steigen oder fallen Kredit- und Sparzinsen unterschiedlich.

SOJ: Die neuen, hohen Zinsen belasten die Wirtschaft. Was können sich die Unternehmen, aber auch die Konsumentinnen und Konsumenten heuer noch erwarten? Gibt es aus Ihrer Sicht eine Grenze, ab der weitere Zinserhöhungen mehr Schaden als Nutzen würden?

Mag. Rainer Stelzer: Es gibt dazu keine absolute Grenze, die im Vorhinein festgelegt werden kann. Vielmehr muss man beobachten, wie sich einerseits die Teuerung (hoffentlich) einbremst, andererseits sich das Wirtschaftswachstum entwickelt. Ein „Abwürgen“ der Wirtschaft sollte vermieden werden, allerdings schätzen wir die heimische Wirtschaft als sehr robust ein. Das hat sich auch in den Coronajahren gezeigt, in denen wir es auch mit einer phasenweisen Rezession zu tun hatten. Prognosen zeigen, dass sich die Teuerung in den nächsten Jahren verringert und das Wirtschaftswachstum wieder steigt. Das könnte bedeuten, dass die EZB zwar heuer noch Zinserhöhungen vornimmt, allerdings das Tempo etwas reduziert und die Schritte kleiner gestaltet.

SOJ: Ich habe unlängst aus der Immobilienbranche folgenden Satz gehört: „Wer noch kein Haus gebaut hat, baut so schnell keines mehr“. Was ist Ihre Meinung dazu? Wie steht es aktuell um die Nachfrage nach Immobilienkrediten?

Mag. Rainer Stelzer: Bei Krediten ist die Nachfrage aufgrund der aktuellen Lage bei Wohnbau- und Investitionskrediten geringer als im Vorjahr. Die angekündigten Anpassungen bei der Vergabe von Immo-Krediten sind ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, allerdings sind sie bei weitem nicht ausreichend. Es braucht weitere Schritte, um einerseits vor allem jungen Menschen Wohneigentum zu ermöglichen und andererseits die starken Rückgänge bei der Kredit-Vergabe sowie die wirtschaftlichen Einbrüche in den betroffenen Branchen abzufedern. Aus Bankensicht sollten auch die wesentlichen Kriterien der Verordnung - Laufzeit, Eigenmitteln und Schuldendienstquote – im Sinne der Bank-Kund:innen überarbeitet werden. Die heimischen Banken kennen ihre KundInnen sehr gut und sind daher in der Lage, passende und leistbare Lösungen gemeinsam mit KreditnehmerInnen zu finden. Denn das ist die Kernkompetenz von Regionalbanken.

SOJ: Hohe Zinsen, aber auch nur die Aussicht auf weitere Zinserhöhungen sind „Gift“ für den Aktienmarkt. Dementsprechend turbulent geht es seit einem Jahr an den Börsen zu. Was raten Sie Ihren Kundinnen und Kunden, zumal es mit dem „sicheren“ Sparbuch ja praktisch keine Rendite mehr gibt?

Mag.Rainer Stelzer: Unabhängig von heuen Teuerungsraten ist es wichtig, Veranlagungsformen immer entsprechend seines persönlichen Anlegerprofil zu wählen. Aus unserer Erfahrung beginnt die Absicherung mit der Schaffung eines sogenannten Notgroschens, der täglich fällig sowie online rasch verfügbar ist. Dieser sollte zumindest 2-3 Monatsgehälter betragen. Darauf aufbauend raten wir zu fixverzinsten Anleihen. Aktuell bieten wir etwa in der Raiffeisen-Landesbank Steiermark eine dreieinhalbjährige Anleihe mit einer Fixverzinsung von 3,500% Prozent jährlich an. Darüber hinaus sind Nachhaltigkeits-Fonds sehr beliebt. Sie bieten die Chance auf höhere Erträge und fördern nachhaltige Unternehmen. Daher ist es wichtig, für ein Gespräch in die Bank zu kommen, um gemeinsam mit einer Finanzanalyse eine passende Lösung zu finden. Eine hohe finanzielle Reserve bei unseren KundInnen, ermöglicht ihnen derzeit Kredite vorzeitig abzudecken, um so die monatliche Belastungen zu reduzieren.

Süd-Ost Journal

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