„Meine Inspiration? Das Leben selbst!“

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Bis 19. Juni erobert Folke Tegetthoffs 35. Internationales Storytelling Festival wieder die Steiermark (www.storytellingfestival.at). Bis 19. Juni erobert Folke Tegetthoffs 35. Internationales Storytelling Festival wieder die Steiermark (www.storytellingfestival.at).

Interview: Dorian Krois

SOJ: Sie sind ja schon sehr lange als Autor und Erzähler tätig. Haben sich Ihre Geschichten eigentlich dem Zeitenverlauf angepasst?

Folke Tegetthoff: Nein, denn das ist ja das Besondere an dem Genre, dem ich mich nunmehr 43 Jahre ganz verschrieben habe, dem Märchen: Märchen sind losgelöst von Zeit und Raum, sie tragen eine, nicht von zeitlichen, geschichtlichen Ereignissen beeinflusste „Wahrheit“ in sich. Diese zu erkennen, sich mit dieser Allgemeingültigkeit zu beschäftigen und den Versuch zu unternehmen, sie zu beschreiben, ist die große Herausforderung meiner Arbeit.

SOJ: Zieht sich ein sogenannter „roter Faden“ durch Ihre Erzählungen?

Folke Tegetthoff: Grundsätzlich ist das bei allen meinen 45 Büchern erkennbar: Denn das Thema, dem ich mich widme, gibt diesen „roten Faden“ vor. So war es bei den „Kräutermärchen“ und den „Liebesmärchen“ genauso wie bei „Hallo, Herr Husten! Guten Tag, Frau Bauchweh“ (über Kinderkrankheiten) oder bei „Let’s chat, Baby! – Nachrichten an ein Ungeborenes“ (WhatsApp Nachrichten an meinen ungeborenen Enkel!) Jedes Thema wird dann von unterschiedlichster Seite betrachtet, das macht es auch so interessant und aufregend (für mich)!

SOJ: Was hat Sie ursprünglich dazu bewogen, Geschichtenerzähler zu werden?

Folke Tegetthoff: Als ich an meinem allerersten Buch arbeitete (1978) wurde mir immer klarer, was ich da eigentlich mache: Eine fast (weltweit) in Vergessenheit geratene Kultur wieder aufleben zu lassen, Märchen neu zu erfinden in einem zeitgenössischen Kontext und Sprache! Da war es nur ein kleiner und logischer Schritt, zu erkennen, dass eine besondere Kraft des Märchens darin liegt, es zu erzählen. Ich „musste“ es machen, es blieb mir eigentlich gar keine andere Wahl. Ich hatte keinerlei Erfahrung im Erzählen, keinerlei Background (Schauspiel -oder Sprachunterricht), nur eine 100% Sicherheit und Überzeugung, das Richtige zu tun – und so habe ich es einfach gemacht! Und heute blicke ich auf über 5000 Gastspiele in 44 Ländern zurück…

SOJ: Wo und wie holen Sie sich Ihre Inspiration?

Folke Tegetthoff: Ganz einfach durch das Leben selbst. Immerzu und überall mit offenen Sinnen durch die Welt zu gehen. Beispiel: Vorigen Sommer lief die unglaubliche Ausstellung eines der weltweit berühmtesten Fotografen, Steve McCurry, in Graz. Als ich sie besuchte, war ich völlig fasziniert und während meines zweiten Besuches malte ich mir aus, wie es wäre, zu diesen Bildern Geschichten zu schreiben. Dann gab es die Begegnung mit Steve McCurry persönlich und als ihm jemand sagte, wer ich bin und was ich mache, bot er mir spontan an, doch gemeinsam ein Buch zu machen mit seinen Fotos von Kindern und Jugendlichen. Und im März habe ich das Buch fertiggestellt! Ich hoffe, dass es noch in diesem Jahr erscheinen wird – 25 unglaubliche Geschichten zu 25 unglaublichen Fotos!

SOJ: Das Internationale Storytelling Festival findet heuer zum 35. Mal von 1. bis 19. Juni statt, heuer erstmals auch in Bad Radkersburg. Was erwartet die Besucherinnen und Besucher diesmal?

Folke Tegetthoff: Wir freuen uns wirklich sehr auf unser neues Festival „badradkersburgERZÄHLT“! Es wird eine direkte Fortsetzung unseres Festivals in Bad Gleichenberg – eben nur ein paar Kilometer weiter östlich. Wir haben sechs Programmpunkte vorbereitet, wie immer mit großartigen KünstlerInnen, für Kinder (Die Matineen), für Erwachsene (Die Lange Nacht der fantastischen Geschichten) und für die ganze Familie (Der Genuss-Geschichten-Tag). Das Besondere ist, dass wir mehrere Orte in der Stadt bespielen und somit das besondere Flair und die besondere Atmosphäre der Stadt miteinbezogen werden kann.

SOJ: Die junge Generation ist immer mehr mit dem Handy beschäftigt. Wie kann man diese Gruppe wieder mehr zum aktiven Lesen bringen?

Folke Tegetthoff: Die Antwort kann man LIVE bei unseren Matineen erleben: Da sitzen 200-600 Kinder (von 6-18) und hören 70 Minuten völlig gefesselt, fasziniert und vor allem völlig bewegungslos und still unseren Geschichten zu. Ich sage (und sagte) immer: Fernsehen, Computerspiele und Social Media sind immer nur ein Ersatz für das, wonach Kinder und Jugendliche die allergrößte Sehnsucht haben: Zeit, Aufmerksamkeit und Liebe. Wenn sie das in nicht mehr ausreichendem Maße von ihren Eltern oder Bezugspersonen bekommen, dann müssen sie sich natürlich einen Ausgleich suchen. So traurig das auch klingen mag: facebook und Instagram haben die Funktion des Umarmens übernommen und wenn jemand sagte: „Komm her, ich erzähle dir eine Geschichte!“ – Social Media hat immer Zeit. Schenkt immer Aufmerksamkeit und ein LIKE oder ein „Herz-Emoticon“ suggerieren Liebe…

SOJ: Welche Geschichten erzählen Sie auch noch heute am liebsten?

Folke Tegetthoff: Da muss man unterscheiden: Als Erzähler auf der Bühne, oder als Mensch im Zusammenspiel mit einem Gegenüber. Als Erzähler liebe ich es immer noch, auch nach 40 Jahren, meinen „Olivenbaum“ (eines der Liebesmärchen) zu erzählen, als „normaler“ Mensch habe ich so vieles aus meinem bisherigen, so aufregenden Leben zu berichten. Von meinen Tourneen, die mich um die ganze Erde führten, von unglaublichen Begegnungen, Erlebnisse und Augenblicken, die ganz entscheidend für einen Weg, meinen, oder auch für jemanden anderen waren. Es ist abgedroschen, aber stimmt natürlich: Das Leben ist eine einzige, großartige Geschichte!

Süd-Ost Journal

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