Der Blutzucker-Spezialist Primarius Dr. Karl Horvath geht mit dem Süd-Ost Journal gemeinsam auf die „Zuckerspur“

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Dr. Karl Horvath, Klinikum Bad Gleichenberg Dr. Karl Horvath, Klinikum Bad Gleichenberg

Die sogenannte „Zuckerkrankheit“ ist eine Geißel der Zivilisation. Gerade in diesen Zeiten. Wo eigentlich Corona trotz sinkender Infektionen immer noch Leben und Gesellschaft in Fesseln hat. Über die „Zuckerkrankheit“ hatte man sich weniger Sorgen gemacht. Die Menschen fühlten sich geradezu in ihren Wohnungen „inhaftiert“. Am Sofa vor dem Fernseher beruhigten viele Menschen ihr Seelenleben mit Knabber-Snacks, Fertig-Pizzen, Fruchtsäften und natürlich Bier. Ohne Bewegung und mit all den Produkten der Lebensmittel-Industrie wanderten viele Menschen mit ihrem Körper in erhöhte Glucose-Werte. Dazu noch der Corona-Stress, der innerfamiliäre Ärger und all die Sorgen um Existenz und Zukunft. Corona hat viele zusätzliche Krankheiten von der Schlaflosigkeit bis hin zur „Zuckerkrankheit“ entfacht. Das Süd-Ost Journal mit dem Spezialisten Primarius Dr. Karl Horvath geht dem „Zucker“ auf die Spur...

Neben einer gesunden Ernährung wird eine ausreichende körperliche Aktivität als grundlegende Therapie eines Diabetes mellitus empfohlen. Durch die körperliche Bewegung benötigen die Muskeln vermehrt Glukose, um ihren Energiebedarf zu decken und nehmen diese aus dem Blut auf. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel. Vermehrte körperliche Aktivität kann auch zur Reduktion des Körpergewichts beitragen.

Während angenommen wird, dass alle Personen von einem gesunden und aktiven Lebenstil profitieren, sind es vor allem Personen mit Typ 2 Diabetes mellitus für die ein besonderer Effekt angenommen wird. Der Typ 2 entsteht aus einer Kombination von Erbanlagen und „ungesunder“ Lebensweise. Aufgrund von Übergewicht und fehlender körperlicher Bewegung ist die Insulinwirkung reduziert. Glukose kann dann nicht mehr so gut aus dem Blut in die Zellen aufgenommen werden. Es besteht eine sogenannte Insulinresistenz. Diese kann durch ausreichende Aktivität wieder verbessert werden. Zusätzlich wirkt sich Bewegung auch positiv auf Beschwerden des Bewegungs- und Stützapparats, die Knochendichte und die Häufigkeit von Stürzen aus.

Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass durch vermehrte körperliche Bewegung eine Senkung des HbA1c möglich ist. Allerdings beträgt die Verbesserung in der Regel weniger als 1%. Bei einzelnen Personen kann sie aber auch deutlich stärker ausgeprägt sein und dazu beitragen, dass weniger Medikamente zu einer ausreichenden Blutzuckersenkung nötig sind. Auch die Fettmasse und Trigyceride (eine spezielle Form von Blutfetten), beides Risikofaktoren für Herz- und Kreislauferkrankungen, können reduziert werden. Studien zeigten auch, dass durch Ausdauersport wie z.B. Nor­dic Walking oder Yoga mit Atemübungen eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden kann.

Demgegenüber konnte eine günstige Wirkung auf Herzkreislauferkrankungen und die Sterblichkeit nicht bewiesen werden. In der Look-AHEAD-Studie wurden die Wirkung einer intensiven Bewegungs- und Ernährungstherapie gegenüber eine bloßen Beratung untersucht. Nach 10 Jahren waren die Personen in der intensiv therapierten Gruppe nachweislich fitter, schlanker (im Schnitt um 4 kg) und hatten einen etwas niedrigeren Blutzuckerspiegel (das HbA1c war um 0,22% niedriger). Trotzdem konnte die Zahl der Personen, die im Laufe der Studie verstarb, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitt, oder ins Spital eingeliefert werden musste, nicht reduziert werden.

In wissenschaftlichen Untersuchungen zeigte sich auch, dass die vermehrte Bewegung meist nicht nachhaltig aufrechterhalten werden kann. Während zu Beginn der Studie noch eine deutlich vermehrte körperliche Aktivität bestand, war nach drei Jahren kein Unterschied zwischen Personen, die vermehrt körperlich aktiv sein sollten und der Vergleichsgruppe feststellbar.

Bei Personen, die mit Insulin oder Medikamenten, die den Insulinspiegel im Blut erhöhen (z.B. Sulfonylharnstoffe wie Diamicron, Amaryl) behandelt werden, können im Rahmen vermehrter Bewegung Unterzuckerungen auftreten. Unterzuckerungen können dabei nicht nur bei Sport, sondern auch bei Alltagsaktivitäten wie Garten- und Hausarbeit auftreten. Strategien zur Vermeidung von Unterzuckerungen sollten mit den behandelnden Ärzt*innen und Diabetesberater*innen besprochen und entsprechende Schulungen durchgeführt werden.

Für Patient*innen mit Retinopathie, Polyneuropathie, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird vor Beginn einer Steigerung der Aktivität bzw. des Trainings eine Rücksprache mit der behandelnden Ärzt*in empfohlen.

Alle Patient*innen mit Diabetes mellitus sollten objektiv über die realistisch zu erwartenden Effekte einer gesteigerten körperlichen Aktivität informiert werden. Ebenso sollte eine entsprechende Schulung erfolgen.

Süd-Ost Journal

"Für die Menschen, für die Region"